standort: startseite > scheinwelt > 20.11.2008

 

scheinwelt



:: artikelübersicht

vorheriger Artikelnächster Artikel

Donnerstag, 20. November 2008

Wundern über GMX


Seit über 11  Jahren genieße ich den Postfach-Service von GMX im FreeMail-Tarif, aber ich glaube, jetzt ist es vorbei mit der Freundschaft  und Schluss mit lustig. Da erhielt ich doch neulich eine Mail von dort mit dem Inhalt

" Liebes GMX Mitglied,
Sie haben am Mon, 10 Nov 2008 10:16:05 +0100 eine E-Mail von " UPS Mail Support" < nqpaaexjhhm@bookiebell.com> mit dem Betreff Your Tracking # 1046953738 erhalten, die unsere Virensscanner als gefährlich eingestuft haben. Wir haben diese E-Mail für Sie gelöscht, um weiteren Schaden für Sie auszuschliessen. Bitte verständigen Sie ggf. den Sender der Nachricht und bitten Ihn die E-Mail erneut zu versenden. [...]
"

Oops. Woraufhin ich zurückschrieb, dass ich Entscheidungen zu meiner Sicherheit selbst zu treffen wünsche. GMX löscht ohne mich zu fragen Mails aus meinem Postfach? Nicht dass ich unbedingt Virenmails haben möchte - es geht um's Prinzip des  Rechts auf Selbstbestimmung. Was da so nett und fürsorglich klingt, hat den  Pferdefuß der Eigenmächtigkeit.  Auch kam mir zu Ohren, dass es versehentlich auch schon mal Mails erwischt hat, die gänzlich virenfrei waren. Aber es kommt noch besser.

Ich erhielt zur Antwort:

" Um potentiellen Schaden von Nutzern fernzuhalten, ist GMX ist nach § 109 TKG verpflichtet, geeignete Maßnahmen zum Schutz der Systemsicherheit zu ergreifen. Das Erkennen und ggf. auch Löschen von virenbehafteten E-Mails ist nach § 100 Abs. 1 und Abs. 3 TKG auch ohne Einwilligung gerechtfertigt und dient der Erfüllung der Anforderungen aus § 109 TKG. Selbstverständlich unterliegt der Virenscanner dabei kontinuierlicher Wartung und Verbesserung, um unseren Kunden ein Optimum an Sicherheit zu bieten."

Oooops. Also schaute ich mir die beiden TKG-Paragraphen »109 und »100 an. Von wegen gerechtfertigt - darin geht es zum einen um die technische Infrastruktur beim Betreiber von TK-Anlagen, jedoch keineswegs um  eine Verpflichtung des Betreibers, die Systeme beim Endkunden -  also auf meinem PC -  zu schützen, und zum anderen um die Datenerhebung in Fällen, in denen eine TK-Anlage gestört oder missbraucht wird. Hat also beides mit dem eigentlichen Sachverhalt einer aufgelaufenen Virenmail in meinem Postfach nichts zu tun.

Andererseits steht in der »GMX-Faq zum Thema Virenschutz, dass in den kostenpflichtigen Tarifen GMX ProMail und GMX TopMail ein Virenschutz verfügbar ist, den man selbst konfigurieren kann - was im FreeMail-Tarif tatsächlich nicht möglich ist. Man kann dann  selbst entscheiden, was mit einer Virenmail geschehen soll, und  wenn ich will, kann ich sie auch annehmen. Aha. Die Entscheidungsfreiheit habe ich also nur dann, wenn ich bezahle.

Nach GMX-Auslegung bedeutet das also  im Umkehrschluss: Die beiden  TKG-Paragraphen gelten nicht für Bundesbürger, die einen  kostenpflichtigen Tarif haben. Wer  einen FreeMail-Tarif nutzt, muss es zulassen, dass Mails, die einen virenbehafteten Eindruck machen, eigenmächtig und ohne Ankündigung und Rückfrage gelöscht werden. Oder anders ausgedrückt: Das Recht auf Selbstbestimmung hätten  nur die zahlenden Kunden, während  die  FreeMail-Kunden von diesem  natürlichen Recht ausgeschlossen wären. Auslegung von Gesetzesbestimmungen nach kommerziellen Gesichtspunkten? Interessant  ...

Man wird bei GMX doch  nicht etwa annehmen oder gar darauf spekulieren, dass FreeMail-Kunden jetzt in Scharen in die Bezahl-Tarife wechseln ...?

Tschüss GMX. Vielen Dank für den Service in  11  langen Jahren. Aber so geht's halt  nicht. Wenn euch der kostenlose Dienst trotz der überquellenden  Werbeeinblendungen  zur Last wird und ihr die FreeMail-Klientel loswerden wollt, könnt ihr das doch offen heraus sagen. Die Verdummungsstrategie zieht nicht.


Kommentare:


#1 Magic Volker (Homepage) am 22.11.2008 00:18

Du schreibst vom Recht auf Selbstbestimmung....

Ich will Dich nicht enttäuschen, aber sofern man sich " in die Hände" von kostenlosen Dienstleistern begibt, gibt man auch einen Teil jener Selbstbestimmung auf.

Nicht, dass ich dies für richtig erachte, aber sobald man (wie auch ich) seine Daten - wenn auch nur zum Teil - im Netz preisgibt, ist man einen großen Teil der Selbstbestimmung los.

Man hat es eben nicht mehr in der Hand, wer Informationen über einen bekommt.


#1.1 Sev am 22.11.2008 01:00

Hallo Volker,

genau darum schreib ich hier. Wenn alle auf ihrem Recht auf Selbstbestimmung bestehen würden und es sich nicht so einfach aus der Hand nehmen lassen würden, gäbe es diese Praktiken bald nicht mehr. Wie du in deinem Posting vom 18.11. (in einem anderen Zusammenhang) schreibst " irgendwas - so glaube ich - ist hier nicht ganz im Gleichgewicht" . Das glaube ich eben auch.

Nichts für ungut!


#2 Ottmar Freudenberger (Homepage) am 22.11.2008 18:40

Interessant, dass die Berichte in letzter Zeit aus dem Boden zu sprießen scheinen, siehe auch http://patch-info.de/artikel/2008/11/08/578

Selsamerweise wollten zumindest bislang weder heise noch Golem in den jeweiligen Tickern darüber berichten...

Bye,
Freudi


#2.1 Sev am 22.11.2008 19:34

Hallo Freudi,
bei Golem wundert es mich nicht wirklich, da zur Holtzbrinck-Gruppe gehörig. Anderswo ... naja, abwarten, kommt vielleicht noch. Vielleicht müssen sich erst noch ein paar mehr Menschen ärgern und die Konsequenzen ziehen.

 

:: ecards mit herzgrüßen :: suchen :: impressum + datenschutzinformation :: kontakt ::

www.sevillana.de