Von Menschen, Affen und der Wissenschaft
Professor Bohrloch
Professor Dr. Bohrloch, Ritter pp., stand mit seinem Assistenten vor
dem Affenkäfig. Es war noch früh am Morgen, und im Zoologischen Garten
waren nur wenige Besucher.
Professor Bohrloch hatte das mit
reiflicher Überlegung so eingerichtet. Er wollte möglichst ungestört
sein, besonders von solchen Leuten, die als nicht-akademisch anzusehen
waren. Odi profanum vulgus!
Denn die frühe Morgenstunde sollte
eines der unerhörtesten Experimente wissenschaftlicher Forschung
bringen. - "Dank den profunden Resultaten der Vivisektion", sagte
Professor Bohrloch, "aus denen sich unsere herrliche Gehirnlehre von
heute entwickelt hat, bin ich auf den erhabenen Gedanken gekommen,
diese zwei Exemplare von cynocephalus babuin nach sorgfältiger phrenologischer
Untersuchung von den anderen Affen zu isolieren. Nach fleißiger
Fütterung mit gehirnbildenden Nährstoffen werde ich heute in der Lage
sein, nachzuweisen, dass das Gehirn des cynocephalus babuin bei entsprechender Behandlung nicht
nur menschliche Ausdrücke den Begriffen nach richtig zu erfassen
vermag, sondern sogar fähig ist, dieselben in adäquaten Gutturallauten
sinngemäß wieder von sich zu geben."
Der Assistent verbeugte sich stumm. Ihm war weihevoll.
"Sie
haben doch fleißig mit Bananen gefüttert", wandte sich Professor
Bohrloch an den Wärter. "Ist Ihnen eine Zunahme der intellektuellen
Funktionen aufgefallen?" "So wat is mich nich uffjefallen" , sagte der
Wärter.
Dem Mann fehlt der geschulte Blick", sagte Professor Bohrloch.
Die Paviane kamen ans Gitter.
"Wer ist denn das?" fragte der eine, und sein Fell sträubte sich.
"Ich
finde ihn eigentlich ganz nett", sagte der andere, "er erinnert mich so
an meinen verstorbenen Onkel." Der Pavian hatte viel Familiensinn.
Professor Bohrloch kramte erregt in seinen Taschen und suchte nach seinem Notizbuch.
"Er laust sich", sagte der erste Pavian mit Sachverständnis. "Jetzt hat er was", sagte der zweite voller Interesse.
"Wir
müssen uns natürlich auf stark akzentuierte Gutturallaute beschränken",
sagte Professor Bohrloch "beginnen wir mit einfachen Vokalen!"
Professor Bohrloch setzte sich in kauernder Stellung vor dem Gitter hin.
"E-e-e-Es-sen-Es-sen", sagte er und machte schnappende Bewegungen mit den Kiefern.
"He-he", grinsten die Affen.
"Es
ist erstaunlich", sagte Professor Bohrloch zu seinem Assistenten.
"Beachten Sie bitte die Schädelbildung!" "Sieh bloß mal dem seinen Kopf
an!"
sagte der eine Pavian. Professor Bohrloch horchte aufmerksam auf
die soeben erfolgten Gutturallaute und machte sich eifrig Notizen.
"Nun einen etwas komplizierten Begriff, der vom reinen Instinkt ins Vorstellungsvermögen übergreift. O-o-o-Vo-gel-Vogel-Vo-gel!"
Professor
Bohrloch hob den Lodenmantel und stelzte sonderbar vor dem Käfig auf
und ab. Er flatterte mit den Ärmeln und schnatterte dabei in einer noch
nicht dagewesenen Weise. Der Wärter näherte sich. Ihm schien, er wäre
nötig.
"Ho-ho", grinsten die Affen und schmissen mit Bananenschalen.
"Es
ist erstaunlich", sagte Professor Bohrloch. "Wir gehen nun zu einem
Umlaut über. Ö-ö-ö-Grö-ße-menschliche Grö-ße."
Professor Bohrloch
reckte sich im Lodenmantel zu voller Höhe auf.
Die Affen hatten
es satt. Der Vogel hatte ihnen noch Spaß gemacht. Das hier nicht mehr.
Sie wandten sich um und zeigten dem Professor ihre Hinterseite. Es
waren ansehnliche, nicht misszuverstehende Körperteile. "Es ist
erstaunlich", sagte Professor Bohrloch. "Das Tier verkriecht sich vor
der menschlichen Größe. Das ist mehr als Verständnis. Hier liegt
bereits eine psychische Reaktion vor. Wir nehmen nun zum Schluss unserer
phänomenalen Untersuchung einen Doppellaut", wandte er sich an seinen
Assistenten. "Beachten Sie, bitte, die vielen kleinen Steine im Käfig!
Ich habe sie aus experimentellen Gründen scheinbar achtlos verteilen
lassen ..."
Professor Bohrloch nahm einen Stein auf und presste
die Brillengläser ganz dicht ans Gitter. "Ei-ei-ei-Stein-Stein-Stein",
sagte er. Die Affen hatten sich am Ende des Käfigs schlafen gelegt und
rührten sich nicht.
"Stein-Stein-Stein", sagte Professor Bohrloch
meckernd. Er sagte das einhundertunddreiunddreißigmal. Da flog ihm ein
Hagel von Steinen ins Gesicht! "Es ist erstaunlich", sagte Professor
Bohrloch.
Am anderen Tage stand Professor Bohrloch auf dem Katheder.
"Wir
kommen nun zum Schluss unserer interessanten Ausführungen", sagte er,
"und können mit Stolz konstatieren, dass es der menschlichen
Wissenschaft gelungen ist, ihre leuchtenden Funken sogar bis in die
stumpfe Tierwelt zu senden!"
Die Affen im Käfig spielten
"Professor Bohrloch". Sie stelzten sonderbar auf und ab und
schnatterten in einer noch nicht dagewesenen Weise.
(Manfred Kyber)
(Bildquelle: »LadyofHats, wikimedia.commons.org)
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