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alltagswelt


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Vom Adler im Hühnerhof

oder: Du bist, was du glaubst



Ein Mann fand das Ei eines Adlers und legte es in das Nest einer Hinterhofhenne. Das Adlerjunge schlüpfte mit der Kükenbrut und wuchs mit ihnen auf.

Sein Leben lang tat der Adler, was die Hinterhofhühner auch taten, denn er dachte, er sei ein Hinterhofhuhn. Er scharrte auf der Erde nach Würmern und Insekten. Er gluckste und gackerte. Und schlug mit den Flügeln, um ein paar Meter in die Luft zu flattern.

Die Jahre vergingen, und der Adler wurde sehr alt. Eines Tages sah er weit über sich am wolkenlosen Himmel einen prachtvollen Vogel, der anmutig und majestätisch auf dem kräftigen Wind dahinsegelte, und dabei kaum die großen goldenen Schwingen bewegen musste. Der alte Adler sah in ehrfürchtigem Staunen auf. "Wer ist das?" fragte er.

"Das ist der Adler, der König der Vögel", sagte sein Nachbar. "Er gehört dem Himmel. Wir gehören dem Boden - wir sind Hühner."

So lebte und starb der Adler als Huhn, denn er war das, wofür er
sich hielt.

(Anthony de Mello [?])

 

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