alltagswelt
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Meister
Ikkyu wurde vom Kaiser zu einem Bankett eingeladen. Ärmlich bekleidet
wie immer begab er sich zum Schloss. Als er durch das Haupttor gehen
wollte, wurde er von den Wächtern aufgehalten: “Wer bist du und
was willst du?”
“Ich bin Ikkyu, der Zen-Mönch, und ich bin vom Kaiser zum Essen
eingeladen.”
Die Wächter lachten ihn aus: “Was? Du sollst der berühmte Meister Ikkyu
sein? Du lügst, du bist nichts weiter als ein armseliger Bettler, geh
weg, verschwinde von hier.”
Ikkyu ging wieder nach Hause. In einer Truhe hatte er noch einen
wunderschönen Kolomo von früher aufbewahrt. Er hatte ihn noch nie
getragen. Er nahm das Gewand heraus, zog es an und ging wieder zum
Schloss zurück.
Die Wächter am Eingang sahen ihn schon von weitem daherschreiten: “Ah,
da kommt ein wichtiger Gast, das ist sicher Meister Ikkyu, der vom
Kaiser zum Essen eingeladen wurde.”
Ohne sie eines Blickes zu würdigen schritt Ikkyu an ihnen vorbei. Sie
verneigten sich tief. Er begab sich zum Saal, in dem das Bankett
bereits begonnen hatte. Dort wurde er vom Kaiser mit Freude empfangen.
Aber anstatt sich hinzusetzen, zog er seine Kleider aus, bis er ganz
nackt war, legte sie auf seinen Sitz und ging wieder zur Tür.
Alle
Anwesenden waren schockiert. Der Kaiser rief ihm fassungslos nach:
”Ikkyu, was machst du denn da?”
Dieser drehte sich um und
antwortete: “Ich bin nur gekommen, um Ihnen meine Kleider zu bringen,
denn Sie haben ja nicht mich eingeladen, sondern meine Kleider.”
(Zen-Geschichte)
»Ikkyu Sojun
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